Liebes Backwerk,
habt ihr schon einmal davon gehört, dass man auch mit Backwaren Menschen diskriminieren kann? Jawohl, das kann man nur zu gut und ich möchte euch gerne erzählen, warum.
Ich leide seit etwa einem Jahr an einer Laktose-Intoleranz. Nun denn, dies ist auf der Welt keine Seltenheit, denn etwa 75 Prozent der Weltbevölkerung leiden unter dieser Unverträglichkeit. Selbst in Deutschland liegt die Zahl der Betroffenen nach Schätzungen bei 15-25 Prozent. Bereits also jeder fünfte deutsche Bürger hat Probleme damit, Milchzucker aufzuspalten und ihn zu verdauen, ohne in der Folge mit Magenschmerzen, Krämpfen, Durchfall, Völlegefühl, Erbrechen oder Blähungen kämpfen zu müssen.
Nun kommt ihr ins Spiel. Wie jeder weiß, gehören Brot und Backwaren zu den Grundnahrungsmitteln in Deutschland, und sogar neun von zehn Deutschen essen jeden Tag Brot. Das Frühstücksbrötchen gehört genauso dazu wie das typische Abendessen der Deutschen: ein paar Scheiben Brot belegt mit frischen Käse- oder Wurst-Aufschnitt.
Aber Brot ist nicht mehr das, was es einmal war. Brot besteht nicht mehr nur aus Sauerteig, Weizen- oder Roggenmehl, Hefe, Wasser und Salz. Brot und Brötchen wird heutzutage häufig Laktose, also Milchzucker beigemischt, da es als günstiges Bindemittel oder als Aromaträger fungiert und die Brötchen brauner macht.
An sich ist es schon schwer genug, sich an eine Laktose-Intoleranz zu gewöhnen, denn die Gefahren lauern in der Lebensmittelindustrie überall. Jeder Betroffene benötigt beim Einkauf viel Zeit, denn egal, ob man Salzstangen, Süßigkeiten, Fertigprodukte, Wurst oder eben Brot kaufen will: man muss erst die Inhaltsstoffe studieren, bevor man es in den Einkaufswagen legen kann.
Auf Lebensmitteln sind die Inhaltsstoffe und Zutaten auf der Verpackung aufgedruckt, sodass man wenigstens eine Chance hat, sich für das richtige Produkt zu entscheiden.
Beim Bäcker sieht leider meistens anders aus, obwohl das definitiv nicht so sein sollte.
Einige Bäckereien legen Listen aus, bei denen man in aller Ruhe die Inhalte studieren kann. Oder bei der SB-Bäckerei noch praktischer: die Inhaltsstoffe sind direkt auf dem Produkt-Schildchen aufgeführt, sodass man auf einen Blick die Zutaten erfassen kann.
Das funktioniert beim Brötchen-Verkauf in Supermärkten und in vielen Bäckereien, aber Backwerk hat es sich scheinbar zum Ziel gesetzt, potenzielle Kunden zu vergraulen.
So geschehen ist das im November 2011 im Ostbahnhof Berlin, wobei dies nur ein Beispiel von vielen für schlechten und nahezu unzumutbaren Kundenservice sein soll.
Backwerk hat sich nämlich etwas ganz Feines ausgedacht. Unter den Produktbezeichnungen der Backwaren wie Fußballbrötchen, Laugenzopf o.ä. findet sich hier nämlich nicht die Zutatenliste, obwohl genug Platz dafür wäre. Oh nein, stattdessen gibt es für Kunden eine poetische Beschreibung wie „Kerniges Körnergebäck – wie von der Alm“ oder „herzhaft gelaugter Weizenzopf mit Hagelsalz bestreut“.
Diese Beschreibung ist für Lebensmittel-Intolerante jedoch nicht gerade informativ.
Nach der Suche nach etwas Essbarem wendet man sich zwangsläufig an die (einzige) Verkäuferin im Laden. Auf der Frage, ob es eine Zutaten-Liste gäbe, da ich unter einer Laktose-Intoleranz leide, wurde ich zunächst mit verständnislosen Augen angesehen. „Laktose was?“
Ich denke, dass eine Verkäuferin, die Backwaren verkauft, mit derartigen Begriffen wie Milchzucker, Gluten, Zöliakie oder Laktose-Intoleranz vertraut sein müsste.
Ist es eben nicht das, was verkauft wird, Backwaren, in denen zum (Groß-) Teil eben diese Inhaltsstoffe enthalten sind?
Als ob dies nicht genug wäre, wird häufig von Verkäuferinnen wie Backwerk-Angestellten das absolute Unwissen mit dem Satz untermauert: „In Brot oder Brötchen ist ja normalerweise keine Milch drin.“
Nach meinem Hinweis, dass dies leider nicht so sei, fragte ich erneut nach einer Liste, während hinter mir schon eine lange Schlange anderer Kunden mit den Füßen scharrte.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Kunden an Bahnhöfen nicht mit unbegrenzter Zeit gesegnet sind, denn häufig müssen sie einen Zug erreichen. Genauso wie ich an diesem Freitag im November einen Zug erreichen musste, aber 15 Minuten sollten normalerweise ausreichen, um ein Laugenbrötchen zu erwerben. Dachte ich zumindest und sollte komplett falsch damit liegen.
Wiederwillig fing die Verkäuferin an, eine Liste hervorzukramen, die unter ihre Registrierkasse geschoben war (also unerreichbar für jeden Kunden!) und auf der Liste nach den von mir gewünschten Brötchen zu suchen. Auf meine Frage, ob ich die Liste sehen könnte, wurde dies dezent überhört.
Fraglich ist, wie sinnvoll es ist, dass eine Verkäuferin, die nicht einmal weiß, was genau Laktose ist, diese Liste für den Kunden liest. Ist sie sich darüber bewusst, dass man nicht nur nach Milch, Milchzucker oder Laktose suchen muss, sondern dass eben auch Butter, Quark, Buttermilch, Molkenerzeugnis, Magermilchpulver, Sahne oder Joghurt die Quelle des Übels sein können? Ich gehe davon aus, dass die Verkäuferin dies mangels ausreichender Schulung nicht wusste.
Nach weiteren 5 Minuten ohne Erfolg, einem Blick auf die Uhr und mittlerweile etwa 6 ungeduldigen Kunden hinter mir, entschloss ich mich, die 8-stündige Zugfahrt hungrig und ohne Backwerk-Brötchen anzutreten.
Im Zug loggte ich mich ins Internet ein und versuchte wenigstens über die Webseite von Backwerk etwas über die Zutaten heraus zu bekommen. Kann es wirklich sein, dass man als letzte Instanz diesen Weg gehen muss, obwohl man eine Verkäuferin als direkte Ansprechpartnerin hatte? Das ist wirklich mehr als traurig.
Zugegeben, hier gab es wenigstens ein paar erfreuliche Informationen, denn wenigstens das Backwerk-Brot kommt hier laktosefrei aus und auch viele Brötchen sind ebenfalls davon verschont. ABER: ist es denn wirklich so schwer, seine Kunden auf einfachem Weg über die Zutaten zu informieren?
Leider gab es selbst auf der Webseite einige große Ungereimtheiten. In der Zutatenliste des Laugenzopfes beispielsweise findet sich Milchpulver, bei dem Hinweis zu den Allergenen findet sich allerdings nur der Hinweis: „Glutenhaltiges Getreide, Sojaerzeugnis (Sojalecithin)“. Enthält Milchpulver also neuerdings kein Laktose?
Beim Laugenbrötchen ist es genau anders herum, die Zutaten bestehen aus Weizenmehl, Backhefe, pflanzlichem Öl und Malzextrakt, als Allergen wird u.a. Milch, Ei und Soja angegeben (und nicht nur als „Spuren“). Wo aber ist denn die Milch enthalten?
Die Frage ist also: auf welche der Angaben darf/muss man sich hier verlassen?
Mit einer Lebensmittel-Allergie oder Intoleranz genügen einem leider nicht schwammige, ungenaue Angaben, denn um Schmerzen oder allergische Reaktionen zu vermeiden, benötigt man sichere Informationen. Ist es nicht sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass diese Angaben ausgeschrieben sein müssen?
Mein Vertrauen in Backwerk habe ich definitiv verloren.
Und eine unerträgliche und hungrige Zugfahrt hatte ich auch.
Meine Brötchen und mein Brot werde ich sicher nicht mehr hier kaufen und ich bin sicher, dass es vielen anderen Menschen so geht, die unter einer Lebensmittelintoleranz leiden.
Gemessen an der großen und ständig steigenden Zahl an Unverträglichkeiten und an der Prozentzahl, die den Kundenkreis betreffen, sollte sich Backwerk eine andere Strategie überlegen.
Ich persönlich fühle mich durch solche Bäckereien wie Backwerk tatsächlich diskriminiert, denn ich kann hier kein Brot kaufen, da es an Informationen mangelt, die man eigentlich einfach zugänglich machen könnte. Glücklicherweise gibt es andere Bäckereien und Bio-Läden, die die Problematik längst erkannt haben, mit der Zeit gehen und auch uns das Gefühl geben, „normale“ Kunden zu sein. Vielen Dank dafür!
Backwerk kann diese einfache Aufgabe scheinbar nicht lösen.